Presseschau - Sie sahen sich als progressiv – und beuteten Kinder sexuell aus

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Von Sabine Menkens, Welt.de-Politik-Redakteurin 

Eine Studie untersucht, wie vermeintlich progressive Netzwerke in Berlin Kinder von den 70er- bis in die Nullerjahre hinein sexuell missbrauchten. Pädophile Homosexuelle und linksautonome Projekte waren darin verstrickt. Ein Blick in menschliche Abgründe. 

Ingo Fock will gar nicht so viel über sich erzählen an diesem Tag. „Ich bin Zeitzeuge und Betroffener, aber meine Geschichte ist eigentlich nur exemplarisch. Deshalb soll sie heute nicht im Fokus stehen“, sagt er. Nur so viel: Auch er habe Missbrauch erlitten in einem sogenannten pädophilen Freundeskreis. Später dann auch sexuelle Gewalt, auf dem Kinderstrich am Bahnhof Zoo in Berlin.

Mit dem Magazin „Fluter“ hat der heutige Vorsitzende des Vereins „Gegen Missbrauch“ einmal intensiver über diese Zeit gesprochen. Darüber, wie er, das vernachlässigte Trennungskind, im Alter zwischen sieben und 13 Jahren missbraucht und herumgereicht worden sei von einem Bekannten seiner Mutter. Nacktfotos, Streicheln, Küssen, Oralverkehr, Analverkehr – all das musste Fock erleiden. Dann den Kinderstrich. Als er 13 Jahre alt war, war er den Männern zu alt.

Das Berlin-Kreuzberg der 70er-Jahre sei ein Sammelsurium gewesen aus verschiedenen Bewegungen, sagt Fock. 68er, Hippies, die beginnende Schwulenbewegung. Sexuelle Selbstbefreiung wurde großgeschrieben, mit Slogans wie „Das Gesetz kennt Grenzen, die Liebe nicht“ oder „Freie Liebe für freie Menschen“. „Damit bin ich aufgewachsen“, sagt Fock. 

„Es war vollkommen normal, dass Kinder in Berlin-Kreuzberg nackt auf der Straße herumgelaufen sind.“ Es war die Phase, als die sexuelle Befreiungsbewegung und die homosexuelle Emanzipationsbewegung perverse Ableitungen fanden in der Forderung pädosexueller Gruppierungen nach Straffreiheit sexueller Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat sich dieser pädokriminellen Netzwerke jetzt angenommen und eine umfangreiche Vorstudie vorgelegt. Nach der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der DDR sowie in Kirche, Sport und Familie ist es ein weiterer großer Schwerpunkt, den sich die beim Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung angesiedelte Aufarbeitungskommission vorgenommen hat. 

Die von der Kunsthistorikerin Iris Hax und dem Kulturwissenschaftler Sven Reiß erstellte Vorstudie will eine erste Übersicht über Organisationsformen, Vernetzungen und Debatten der damaligen Akteure bieten und stellt deren Vorgehensweise und Rechtfertigungsstrategien dar. Das Schlaglicht fiel dabei auf Berlin von 1970 bis Anfang der 2000er-Jahre; darüber hinaus sieht die Kommission großen Bedarf für eine bundesweit angelegte Recherche.

Quelle: welt.de | 24.02.2021